Gezielte Rekrutierung von Frauen

Die Rekrutierung von weiblichen Führungskräften beginnt zum Teil auf darunterliegenden Ebenen: dort, wo potenzielle Nachwuchsführungskräfte eingestellt und in der Folge aufgebaut werden. Speziell in männerdominierten Branchen beginnt die Rekrutierung weiblicher Führungskräfte aber auch schon dort, wo überhaupt Frauen als Mitarbeiterinnen etwa in technischen Bereichen aufgenommen werden, die später einmal als Führungskräfte infrage kommen. Maßnahmen von Unternehmen in diesem Bereich beziehen sich daher auf die Rekrutierung von Frauen auf den verschiedenen Ebenen – von Lehrlingen bis hin zu Managementkräften, und deren interner Entwicklung durch die Hierarchie in Talentepools. Durch frühzeitiges Ansetzen an der eigenen Rekrutierungs- und Talenteentwicklungsstrategie können potentielle künftige Führungskräfte nachhaltig entwickelt werden, und das vorzeitige (Wieder-)Ausscheiden durch sogenannte "Drehtüreffekte" insbesondere bei direkter Rekutierung für höhere Ebenen reduziert oder vermieden werden.

Rekrutierungsstrategien

Systematische Benachteiligung ausschalten – Frauen gezielt einstellen: Grundsätzlich sind anhand der in österreichischen Unternehmen vorgefundenen Beispiele zwei Ansätze zu unterscheiden: Zum einen der Versuch, systematische Benachteiligungen von Frauen im Rekrutierungsprozess in den Blick zu nehmen und auszuschalten. Zum anderen der Zugang, gezielt und bevorzugt Frauen einzustellen. Dies kann mittels Quoten ebenso umgesetzt werden, wie auch durch andere Wege, wie etwa interne Ziele oder die bewusste Arbeit an der Diversität von Teams.

Zielvorgaben, Anreize und Sanktionen: Verbindliche Zielvorgaben sind – auch laut Erfahrungen von Unternehmen – für die merkbare und nachhaltige Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen wichtig. Ebenso wichtig ist es, Anreize für die Erreichung dieser Ziele zu schaffen und die Zielerreichung zu überprüfen. Sanktionen im Falle der Nicht-Erreichung sind zwar umstritten, für eine effektive Wirkungsweise können sie aber notwendig sein. Sind mit der Verfehlung der Zielvorgaben keinerlei Konsequenzen verbunden, kann die Formulierung von quantifizierbaren Zielen zwar zu einer gewissen Sensibilisierung beitragen, vergibt aber ihr Veränderungspotenzial. Diesen Schluss lassen jedenfalls die Schilderungen in einigen Unternehmen zu.

Standardisierung und Transparenz: Die Prozesse der Stellenbesetzung sind ein zentraler Aspekt bei der Herstellung von Gleichstellung in Unternehmen und im Besonderen auf der Führungsebene. Selbst wenn gesetzlich vorgeschriebene Gleichbehandlungsmaßnahmen berücksichtigt werden, können sich an vielen Stellen des gesamten Prozesses Benachteiligungen von Frauen einschleichen – bewusst oder unbewusst. Daher kommt der Standardisierung und Transparenz ein hoher Stellenwert zu: Sie verringern im Vergleich zu informellen, nicht nachvollziehbaren Vorgangsweisen tendenziell Verzerrungen. Dennoch sind sie aber keine Garantie für nicht verzerrte Prozesse. Daher sind die konkrete Ausgestaltung standardisierter und transparenter Vorgehensweisen und die bewusste und kompetente Berücksichtigung möglicher Momente der geschlechtsspezifischen Diskriminierung von hoher Bedeutung.

Erfahrungen

Seit 2011 besteht im Gleichbehandlungsgesetz die gesetzliche Grundlage für geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen, die auch eine Angabe zum Gehalt zu enthalten haben. Die Erfahrungen von Unternehmen zeigen jedoch, dass es über diese Mindestvorgaben hinaus oft noch gezielterer Ansätze bedarf, um Frauen zur Bewerbung und Verbleib im Unternehmen zu motivieren.

BeispielBeispiel

Praxisbeispiele: Gezielte Rekrutierung

Ein Großunternehmen in der IT-Branche setzt einen Schwerpunkt darauf, Technikerinnen zu finden und zu rekrutieren. Gleichzeitig wird auch bei jungen Frauen schon an der Förderung von Motivation für die Beschäftigung mit bzw. in der Technik gearbeitet. Daraus ergibt sich ein Bündel verschiedener Maßnahmen:

  • Jedes Jahr wird daher ein fixer Anteil der Trainee-Stellen gezielt für Frauen angeboten – mit dem Ziel, junge Frauen für die Technik zu begeistern.
  • Das Unternehmen nimmt am "Wiener Töchtertag" teil und setzt dabei auch auf spezifische Programme für junge Frauen am Beginn der Berufs- bzw. Ausbildungslaufbahn.
  • Zur Rekrutierung nutzt das Unternehmen aktiv soziale Netzwerke und kooperiert dabei mit Frauen, die bereits im Unternehmen beschäftigt sind.
  • Für die Empfehlung von (männlichen oder weiblichen) Mitarbeitenden werden Prämien bereitgestellt: Die Prämie erhalten Beschäftigte, wenn sie Bekannte oder ehemalige Kolleginnen und Kollegen empfehlen und diese nach dem Probemonat beim Unternehmen zu arbeiten beginnen.

Das Unternehmen hat festgestellt, dass Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Frauen in der Technik entgegen verbreiteter Annahmen nicht darin bestehen, dass es keine interessierten oder geeigneten Kandidatinnen gäbe. Wie sich gezeigt hat, gibt es diese sehr wohl – die Herausforderung liegt nach den Erfahrungen der Personalabteilung vielmehr darin, sie zu finden. Durch die gewählten neuen Ansätze der Rekutierung konnten so die Ansprache künftiger Mitarbeiterinnen verbessert werden. Weiterentwicklungsmöglicheiten bestehen bei diesen Ansätzen in der genaueren Zielgruppenansprache (beispielsweise Absolventinnen, Studierende) sowie in der Evaluierung, ob etwa die Teilnahme am Töchtertag auch zu Bewerbungen um Praktika, Traineeships oder Stellen führt.

Auch ein großes Industrieunternehmen rekrutiert gezielt Frauen für unterschiedliche Ebenen – von der Lehrstelle bis zur Fachposition. Zunächst führte die HR-Abteilung eine Ist-Analyse durch. Es wurde festgestellt, dass es in technischen Positionen durchaus bereits weibliches Personal gab – aber bedeutend weniger als männliches. Daraufhin wurde eine Broschüre erstellt, mit der das Unternehmen nunmehr an die einschlägigen Universitäten als Arbeitgeber für Absolventinnen herantritt. Zusätzlich wurde auf der Website ein Bereich eingerichtet, der sich mit dem Thema Chancengleichheit beschäftigt. Seit Ergreifung der Maßnahmen bewerben sich vermehrt weibliche Technikerinnen. Aus der Beobachtung des Personalmanagements können demnach bereits die Thematisierung von Stellenbesetzungen mit Frauen und die gezielte Ansprache von Frauen einen Unterschied machen. Auch auf Ebene der Lehrlinge haben sich Teamzusammensetzungen in Richtung stärker gemischter Teams verändert. Es bestehen Bereiche, in denen das Unternehmen keine Frauen auf dem Arbeitsmarkt finden konnte. Dort begann das Unternehmen langsam, Frauen einzustellen, indem weibliche Lehrlinge und Praktikantinnen aufgenommen wurden. Ziel für die nächsten Jahre ist jedoch, dass aus den Reihen eingestellter Frauen in technischen Bereichen auf verschiedenen Ebenen mit der Zeit auch weibliche Führungskräfte folgen.

Ein mittlerer, männlich dominierter Produktionsbetrieb, nimmt gezielt (junge) Frauen als Lehrlinge und ins Traineeprogramm auf, um den Frauenanteil im internen Talentepool nachhaltig zu erhöhen.

Gleichstellung und Diversität im Rekrutierungsprozess

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Demographie, Gesellschaft und Arbeitsmarkt bietet sich für Unternehmen auch die Möglichkeit, Gleichstellung und Diversität bei allen Rekutierungsprozessen mitzudenken, auch bei der Aufnahme qualifizierter, älterer Beschäftigte und bei deren kontinuierlicher betrieblicher Weiterbildung.

TippTipp

Diversity Management über die Dimensionen Geschlecht hinaus

Weiterführende Ratgeber zum Thema Diversity Management zur Schnittstelle der Dimensionen Geschlecht und weiteren Diversitätsmerkmalen finden sich hier:

TippTipp

Stellenausschreibungen

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat eine aktuelle Empfehlung für geschlechtsneutrale und diskriminierungsfreie Ausschreibungen veröffentlicht und bietet auch Schulungen zum Thema an:

Neben der Stellenausschreibung ist es empfehlenswert, auch das weitere Bewerbungsverfahren geschlechtersensibel und diskriminierungsfrei zu gestalten.

TippTipp

Arbeitsplatzbeschreibungen

Vor der Stellenausschreibung sind detaillierte Arbeitsplatzbeschreibungen hilfreich. In der Gestaltung der Ausschreibung spielen die Auswahl von Bildern und Fotos und der genaue Text eine wichtige Rolle bei der gezielten und wirksamen Ansprache von Frauen.

Weitere Informationen dazu bietet auch die 
Toolbox für den aussagekräftigen Einkommensbericht: Stellenausschreibungen und Personalauswahlverfahren.

TippTipp

DigiGuide – praktische Hilfestellung für die Gestaltung von Stellenanzeigen

Der DigiGuide wurde im Rahmen des Forschungsprojekts "DigiTyps – Entstereotypisierung von Berufsbildern und Ausbildungskonzepten im digitalen Wandel (2021-2022)" erarbeitet. Er wurde speziell für Klein- und Mittelbetriebe entwickelt und besteht aus den Komponenten DigiSkills und DigiTips. DigiSkills enthält einen Katalog von 24 Kompetenzen, die durch die Digitalisierung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Korrespondierend zu diesen Kompetenzen werden geschlechtergerechte Formulierungsmöglichkeiten zur Verwendung in Stellenausschreibungen vorgeschlagen. Das Paket DigiTips enthält neben allgemeinen Empfehlungen für die Personalsuche auch spezifische Empfehlungen zur geschlechtergerechten Gestaltung von Stellenanzeigen, sodass diese Frauen und Männer gleichermaßen ansprechen.

DigiGuide (DigiTypes)

Die oben angeführten Empfehlungen für Stellenauschreibungen zeigen: Sollen gezielt (auch) Frauen angesprochen werden, genügt der Nachsatz (m/w) in Klammern nach einer männlichen Postenbezeichnung meist nicht.

Töchtertage und Girls' Days können weitere Ergänzungen zu Ansätzen sein, (junge) Frauen für Stellen zu interessieren und einen breiteren Bewerberinnenkreis anzusprechen.

Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung

Auf hohen Managementebenen wie Vorstand und Geschäftsführung wird zur Rekrutierung meist auch auf externe Unterstützung zurückgegriffen. Zielwerte bzw. Gleichstellungsvorgaben (siehe Interne Verankerung) können jedoch auch dabei mitbedacht werden.

Das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung im § 9 des Gleichbehandlungsgesetzes gilt jedenfalls auch für diese Positionen:

Recht: Gleichbehandlungsgesetz §9 Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung

(1) Der/die Arbeitgeber/in oder private/r Arbeitsvermittler/in gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebes (Unternehmens) nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben oder durch Dritte ausschreiben lassen, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit. Die Ausschreibung darf auch keine zusätzlichen Anmerkungen enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen.

(2) Der/die Arbeitgeber/in oder private Arbeitsvermittler/in gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts ist verpflichtet, in der Ausschreibung das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder das durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben und auf die Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen, wenn eine solche besteht. Dies gilt sinngemäß für Arbeitsverträge in Wirtschaftsbereichen, in denen es kein kollektivvertraglich oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geregeltes Mindestentgelt gibt, ausgenommen Arbeitnehmer/innen gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. Nr. 626/1991. In der Stellenausschreibung ist jenes Entgelt anzugeben, das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll.

Im weiteren Bewerbungsverfahren kann ein divers besetztes Auswahlgremium dazu beitragen, Entscheidungspositionen geschlechterausgewogen zu besetzen, in dem unbewusste Bias und das Ähnlichkeitsprinzip vermieden werden können.

TippTipp

Auch die Toolbox für den aussagekräftigen Einkommensbericht liefert Ansätze für 

das Handlungsfeld Personalauswahl

in dem 

Stellenausschreibungen und Personalauswahlverfahren sowie gezielte Personalsuchstrategien

illustriert werden.